Prof. Dr. Jörg Junhold wurde 1997 Geschäftsführer und Direktor des Zoo Leipzig. Seitdem arbeitet der Veterinärmediziner und Marketingfachmann an der Umsetzung seiner im Jahr 2000 vorgestellten Vision vom „Zoo der Zukunft“, die in einer faszinierenden Symbiose artgerechte Tierhaltung mit außergewöhnlichen Tierbegegnungen für die Besucher und globales Engagement für den Artenschutz vereint. Ein Arbeitstag dauert für ihn 24 Stunden, in denen er als Botschafter für die Tiere unermüdlich für deren Belange eintritt. Langweilig wird es nie, denn Baubesprechungen, Stadtratssitzungen, Vorlesungen, Pressetermine und Empfänge sorgen stets für Abwechslung.

Was hat Sie bewogen, Zoodirektor zu werden?

Junhold: Der Beruf des Zoodirektors versprüht per se einen Hauch von Exotik, und nicht selten träumen Kinder davon, einmal das Amt eines Zoodirektors zu bekleiden. Zu Beginn meines Studiums der Veterinärmedizin in Leipzig habe ich allerdings in keinster Weise an diesen Weg gedacht. Als ich aber von der Stellenausschreibung erfuhr, sah ich sofort die Möglichkeit, etwas Nachhaltiges in meiner Heimatstadt zu schaffen und ergriff die Chance. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Arbeitstag erinnern: An diesem 1. November, einem durchweg trüben Tag, wurde mir bewusst, dass der Weg zum Zoo der Zukunft noch weit sein würde und die Entscheidung, sich dieser Aufgabe zu stellen, die richtige war.  

Wie sieht ein Tag bei Ihnen aus?

Junhold: Mein Terminkalender ist so bunt wie ein Blumenstrauß. Ich springe manchmal von einer Sitzung der Kulturstiftung zur Dienstberatung des Managements, anschließend zu einem Pressetermin und danach zu einer Besprechung mit dem Marketingleiter. Zu guter Letzt steht dann noch die Betreuung des Glühweinstandes des Lions Club auf dem Weihnachtsmarkt auf der Tagesordnung. Meine Tage sind niemals langweilig und immer wieder eine Herausforderung für mich, weil ich mich innerhalb kürzester Zeit auf eine neue Thematik einstellen muss. Gegenwärtig dominieren die Bauberatungen das Tagesgeschäft. Wir befinden uns gerade in einem intensiven Baugeschehen, die letzte Phase des Masterplans wurde in Angriff genommen und mehrere Neuanlagen müssen gebaut bzw. bis nächstes Jahr fertiggestellt werden, wie zum Beispiel die Kiwara-Kopje oder die Affeninseln. Bei den verschiedenen Planungsprozessen dabei zu sein, ist für mich enorm wichtig, und es macht zudem Spaß, wenn es um kleine Details geht, die die Anlagen zu etwas Besonderem machen. In den letzen Monaten haben wir etwa im Management intensiv diskutiert, welche beiden Affenarten wir für die Affeninseln auswählen. Hierbei spielten verschiedene Aspekte eine Rolle, wie Haltungsbedingungen, der Bedrohungsstatus und die Beschaffung dieser Arten. Neben den Planungsterminen habe ich regelmäßig interne Abstimmungsgespräche mit dem Management, halte Vorträge und Vorlesungen und komme mit Vertretern der Stadt zusammen, um die Belange und Interessen des Zoos vorzustellen und zu diskutieren. Einmal in der Woche treffen sich das Management, die Kuratoren und Bereichsleiter zur sogenannten Chefrunde. Ungefähr zwei Stunden gehen wir dann durch den Zoo, tauschen uns mit den Pflegern über Neuigkeiten aus und erfahren auch von dem ein oder anderen aktuellen Problem. Diese Runde ist manchmal in der Woche die einzige Möglichkeit, mit den Pflegern in direkten Kontakt zu kommen, sie ist deshalb für mich von immenser Wichtigkeit.

Was zeichnet im 21. Jahrhundert einen guten Zoo aus?

Junhold: Ein guter Zoo sieht in den Tieren Botschafter für den Artenschutz und ihre freilebenden Artgenossen. Er beteiligt sich an Artenschutzprogrammen und nutzt seine Plattform, um den Zoobesuchern die Bedeutung des nachhaltigen Schutzes der Biodiversität der Natur aufzuzeigen. Als Zoo haben wir mehr denn je die Verantwortung, die Gesellschaft für das Thema Natur- und Artenschutz zu sensibilisieren, denn letzten Endes schützen wir nur, was wir kennen. Ein Zoo des 21. Jahrhunderts muss diese Verpflichtung als Maxime seinem eigenen Handeln voranstellen und durch sein aufklärendes Wirken eine verantwortungsbewusste Grundhaltung und inhaltliche Kenntnis für dieses Thema  vermitteln.

Sie sind Professor für Zootierhaltung und Artenschutz, seit wann nimmt der Artenschutz für Sie eine derart dominierende Rolle ein?

Junhold: Im Grunde schon mit der Wahl, Veterinärmedizin zu studieren und vertiefend mit Beginn meiner Tätigkeit in der Funktion des Zoodirektors. Mittlerweile empfinde ich den Artenschutz als eine Passion und sinnstiftend für meine komplette Arbeit. Die Bestellung als Honorarprofessor für Zootierhaltung und Artenschutz an der Veterinärmedizinischen Universität Leipzig im letzen Jahr ist eine besondere Ehrung und gibt mir die Möglichkeit, künftigen Generationen die Bedeutung des Artenschutzes für den Erhalt der Biodiversität nahezubringen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns intensiver denn je mit den Folgen unseres gegenwärtigen Handelns auseinandersetzen müssen, und dazu gehört insbesondere, den Artenreichtum nachhaltig zu schützen.

 Welche sind die schönsten Momente für einen Zoodirektor?

Junhold: Die Geburt von Jungtieren muss auf jeden Fall dazugerechnet werden. Eine Elefantengeburt zum Beispiel ist noch immer etwas sehr Seltenes und ein außergewöhnlicher Augenblick für jeden Beteiligten. Natürlich ist es auch ein bewegender Moment, wenn nach langer Bauzeit eine neue Anlage endlich fertiggestellt werden kann. Die Fertigstellung unseres größten Projektes, die Eröffnung der Tropenerlebniswelt Gondwanaland, war für mich ein unvergleichbares Ereignis, das mir unvergesslich bleiben wird. Ähnlich verhält es sich mit meiner Wahl zum Präsidenten des Welt-Zooverbandes (WAZA). Dieses Amt hat mich mit Stolz erfüllt.

Haben Sie Lieblingsorte im Zoo?

Junhold: Ja, ich habe insgesamt drei Lieblingsorte: Die Kiwara-Lodge, von der man übers Rosental hinaus den Blick in die Ferne schweifen lassen kann, den Übergang zwischen Südamerika nach Afrika in Gondwanaland und die Brücke in Pongoland. Wenn am Abend im Auwald die Sonne untergeht, glaubt man nicht, inmitten einer Großstadt zu sein.